29.04.2020
50 Jahre Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Bernau
Am 1. Mai, 10.30 Uhr bläst Wilfried Weege auf dem Bernauer Marktplatz aus luftiger Höhe die Jubiläumsfanfare
Seit einem halben Jahrhundert gehört er zu Bernau, der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr. Beim 1.-Mai-Umzug 1970 spielten die Musikanten zum ersten Mal auf. Durch einen Zufall marschierte die komplette Feuerwehr da gleich an der Spitze des Zuges – und damit noch vor der SED-Kreisleitung – durch die Straßen. Es sollten bald viele weitere Auftritte zu Feuerwehr-Veranstaltungen sowie zu „politischen und gesellschaftlichen Höhepunkten“ in Bernau folgen, so bei den beliebten Parkfestspielen. Aber auch auf Sportfesten, Hochzeiten, Weihnachtsmärkten, in Altenheimen sowie bei Gemeindefestspielen und Reitturnieren in Nachbarorten war die Blaskapelle gefragt. Dazu kamen Konzerte in anderen Städten wie Schwedt und Berlin sowie mit den Militärmusikern der sowjetischen Garnison in Bernau. Die Freiwillige Feuerwehr selbst wurde übrigens schon 1882 in Bernau gegründet. In Erinnerung an den ersten Auftritt des Musikzugs vor 50 Jahren bläst Wilfried Weege am kommenden Freitag, dem 1. Mai, 10.30 Uhr auf dem Marktplatz vom Hubrettungsfahrzeug Bronto Skylift herunter die Jubiläumsfanfare, unter anderem erklingt das Brandenburglied.
Ein posthumes Dankeschön an Heinz Liebisch und Helmut Zillmann
50 Jahre Musikzug, dieses Jubiläum wäre ohne das Engagement vieler Menschen nicht möglich gewesen. Zu danken ist seine Gründung dem Dreigestirn Gerhard Modisch, Heinz Liebisch und Horst Scheel. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten hatte der Kulturreferent Modisch die beiden anderen im Februar 1970 zu einem Gespräch eingeladen. Ja, und dann wurden sie sich ziemlich schnell einig: Alle drei wollten einen Musikzug. Der Wehrführer Horst Scheel hatte den Schulungsraum der Feuerwehr als Probenraum zur Verfügung gestellt und den Musikzug dann bis an sein Lebensende mit Rat und Tat unterstützt.
Heinz Liebisch, obwohl bereits Rentner, hat auf Bitten des damaligen Rates der Stadt das Ehrenamt eines Musikzugleiters angenommen und den Zug neun Jahre lang geleitet. Wie Archivunterlagen zu entnehmen ist, konnte er den Musikzug dank seiner Erfahrungen als 1. Trompeter am Theater der Freundschaft in Berlin aufbauen und zu einer festen Größe im Kulturleben des Kreises Bernau entwickeln. Da in der Stadt viele ehemalige Musiker lebten, kamen von Probe zu Probe mehr Musikanten. Um jungen Nachwuchs zu finden, bildete Heinz Liebisch dann selbst Kinder an Blasinstrumenten aus. Es gelang ihm, 1972 einen Kinder- und Jugendmusikzug zu gründen, der zehn Jahre lang bestand.
1973 trafen sich die Feuerwehrmusiker mit den Garnisonsmusikern in der Kaserne Schönower Chaussee. Mit deren Leiter Major Kraftzow verstand sich Heinz Liebisch gut, wie im Heft „25 Jahre Musikzug“ beschrieben wird. So kam es zwei Jahre lang zu zahlreichen gemeinsamen Proben und einigen gemeinsamen Darbietungen mit Werken von Franz Schubert, Georg Bizit, Peter Tschaikowski und Johann Strauß. Mit dem neuen Leiter der Garnisonsmusik – die Dienstzeit des bisherigen war vorbei – endete auch die gute Zusammenarbeit. Doch zur Beerdigung von Heinz Liebisch am 5. September 1980 kamen vier russische Musiker mit ihren Instrumenten und spielten zusammen mit den Feuerwehrkameraden die Trauermärsche.
„Da es schwer war, einen musikalischen Leiter zu finden, der den Dirigentenstab von Heinz Liebisch übernehmen konnte und wollte, übernahm Helmut Zillmann dann aus Pflichtbewusstsein das Zepter“, erinnert sich der heutige Leiter Wilfried Weege. Unter der Leitung von Kamerad Zillmann etablierte sich der Musikzug weiter. „Mit seiner ruhigen, ausgeglichenen Art sicherte er zudem das Überleben des Zugs in der unruhigen Vorwende- und Wendezeit. Für manch einen jungen Musiker war er so etwas wie eine Vaterfigur“, so Weege. Querelen mit Funktionären sorgten dafür, dass der Musikzug ab 1985 nicht mehr öffentlich auftrat, sondern nur noch bei Feuerwehr-Veranstaltungen. Ihren letzten Auftritt zu DDR-Zeiten hatten die Kameraden bei der Grundsteinlegung für das neue Feuerwehrgerätehaus am Angergang im September 1989.
Neue Auftrittsmöglichkeiten nach der Wende
Mit der Wende begann auch für den Musikzug eine neue Zeit mit bislang nicht gekannten Möglichkeiten. Die Neueröffnung der Gaststätte „Am Pulverturm“ am 4. August 1990 war ein schöner Anlass für den ersten Auftritt. Es folgten Konzerte zur Wiedervereinigung am 3. Oktober sowie auf der Festveranstaltung zum Beginn der Städtepartnerschaft zwischen Meckenheim und Bernau am 10. November 1990. Beim Bezirksschützenfest im Mai 1991 in der Partnerstadt wurden die Bernauer begeistert aufgenommen. Im Jahr darauf konnte dann das neue Feuerwehrgerätehaus in Betrieb genommen, das 110-jährige Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr, der 3. Stadtfeuerwehrtag sowie das erste Hussitenfest nach der Wende gefeiert werden. Nach der Einladung eines ehemaligen Bernauers, der Mitglied einer Karnevalsgesellschaft war, begleiteten die Feuerwehrmusiker 1993 den Rosenmontagszug in Köln musikalisch.
Wilfried Weege erweiterte das Repertoire
Wilfried Weege, der an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ studierte, übernahm 1995 das Ehrenamt. „Mir macht es Spaß, mit Menschen musikalisch zu arbeiten“, so der Trompeter. Unter seiner Leitung ist das Repertoire für das elfköpfige Team immer größer und vielfältiger geworden. Lag der Schwerpunkt bislang auf der „herkömmlichen“ Blasmusik, so wurden nun moderne stilistische Klangelemente aufgenommen. Von historischer über volkstümliche Blasmusik bis hin zum Dixie und Swing sowie zu anspruchsvollen Stücken eines Bläserquintetts ist alles vertreten. In das Feuerwehrleben ist der Musiker sozusagen reingewachsen. „Ich sehe seit Jahrzehnten, mit welcher Einsatzbereitschaft die Kameradinnen und Kameraden des aktiven Dienstes dabei sind und habe eine sehr hohe Meinung von ihnen.“ Und für Feuerwehrchef Jörg Erdmann ist der Musikzug aus dem Team nicht wegzudenken.
Ganz klar, dass der Musikzug bei jeder Feuerwehrveranstaltung dabei ist: bei den Tagen der offenen Tür, bei den Neujahrsempfängen des Fördervereins, bei den Jahreshauptversammlungen und bei den Weihnachtsgottesdiensten für die Feuerwehrleute in Ladeburg. Ein fester Termin ist der alljährliche Hussitenfest-Umzug, an dem die Musiker bis auf die letzten zwei Jahre immer teilgenommen haben – natürlich in historischen Uniformen.
Bis vor einigen Jahren gab es zudem viele Auftritte bei Jubiläen, auf Kinderfesten, Senioren- und Weihnachtsfeiern, Schützenfesten, Benefizkonzerten, Geburtstagen, Grundsteinlegungen und Richtfesten. Frei nach dem Motto „Mit Tuba und Trompete auf jeder Fete. Von Blasmusik bis Swing ist alles bei uns drin. Darum beste Musik für alle Fälle nur mit der Feuerwehrkappelle“.
Auch beim Internationalen Tag der Artisten hat die Kapelle schon für Stimmung gesorgt. Eine Sternstunde war der Auftritt des Bläserquintetts in Schloss Bellevue im Jahr 2011, als der damalige Bundespräsident Christian Wulff erstmals Feuerwehrleuten das Deutsche Feuerwehr-Ehrenzkreuz in Bronze verlieh. Selbst vom Präsidenten gab es da Beifall. Beim 1. Landesausscheid der Feuerwehrorchester des Landesfeuerwehrverbandes Brandenburg im Mai 1998 in Luckenwalde schafften es die Bernauer mit sehr gutem Prädikat auf den 2. Platz.
Musikzug sucht Nachwuchs
„Ja, wir haben viele Veranstaltungen festlich umrahmt und zum Gelingen anderer mit stimmungsvoller Unterhaltungsmusik gesorgt. Durch die Auftritte bringen wir Menschen Freude und sie danken es uns“, so Wilfried Weege. Den 64-Jährigen hält dies fit. Fakt ist, dass es den Musikzug ohne den Enthusiasmus der Musiker nicht geben würde. Denn die Auftritte sind die eine Seite der Medaille, die fachliche Fitness auf dem Instrument ist die andere. Und für diese wird gesorgt.
Geprobt wird in normalen Zeiten montags im Feuerwehrgerätehaus am Angergang, derzeit natürlich nicht. „Keiner weiß, wieviel Schweiß bei den Übungsstunden floss, bis alle notwendigen Handgriffe saßen, die Noten eingeprägt waren und der Takt den Gleichklag brachte, um ein musikalisches Werk sicher zu spielen. Vergütet durch Kameradschaft und das gute Gewissen, dass nicht Eigennutz, sondern die Nächstenhilfe der Antrieb war, leisteten die Angehörigen des Musikzuges ihre Aufgabe. Der Lohn der Arbeit eines Klangkörpers ist der Beifall“, so Jürgen Herzog vom Förderverein der Freiwilligen Feuerwehr in einem Grußwort. Seit seiner Gründung hat der Förderverein den Musikzug unterstützt.
Seit einem Vierteljahrhundert ist auch Theo Wendt mit von der Partie. Der Bauingenieur im Ruhestand ist Trompeter mit Leib und Seele. „Der hat sein Leben am besten verbracht, der die meisten Menschen hat froh gemacht“, heißt es in einem Kanon. Und das ist auch sein Leitsatz. Auftritte sind für ihn eine konzentrierte Anspannung, aber auch eine besondere Freude. Der Musikzug ist nach wie vor Teil seines Lebens.
Für die Zeit nach Corona hoffen die Musiker auf viele Auftritte. Dadurch könnte der Musikzug nach Meinung von Wilfried Weege auch für junge Leute interessanter werden, denn Nachwuchs wird dringend gebraucht. Das älteste Mitglied ist Manfred Bartel mit 85 Jahren, das jüngste Falko Jacht mit 42 Jahren. Einzige Frau im Team ist die Saxophon-Spielerin Lixia Matthes. Was sich Wilfried Weege zum Jubiläum wünscht? "Dass es den Musikzug auch die nächsten 50 Jahre noch gibt und die Musikanten so anderen Menschen Freude bereiten können."