14.10.2015
Kunstgespräch zu Fritz Cremer in der Skulpturensammlung
Am Freitag, dem 16. Oktober, um 19 Uhr findet in den Ausstellungsräumen in der Alten Goethestraße 3 die Fortsetzung der Kunstraum-Gespräche statt. Der aktuelle Abend widmet sich dem Bildhauer Fritz Cremer (1906–1992). Unter dem Titel „Sinnlichkeit und politisches Engagement“ loten die Berliner Kunstwissenschaftler Anita Beloubek-Hammer und Klaus Hammer die Polaritäten im Werk des Künstlers aus. Der Eintritt ist frei.
Über das Leben und Werk Fritz Cremers:
Fritz Cremer hat mit seinen Lebensdaten das 20. Jahrhundert vom ersten bis ins letzte Jahrzehnt und inklusive zweier Weltkriege ausgelotet. 1906 im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen, war er bereits mit 15 Jahren elternlos. Er lebte in einer Bergarbeiterfamilie und lernte soziale Not und das harte Ringen um den elementaren Lebensunterhalt kennen. Schon in seiner Lehrzeit als Steinbildhauer verteilte er vor dem morgendlichen Schichtbeginn Flugblätter an den Eingängen zu den Grubenschächten. Ein Leben lang sensibel für die aktuellen Zeitereignisse, münzte er seine Erfahrungen in politisches Engagement um.
1929 trat er in die KPD ein, war Mitbegründer des Roten Studentenbundes an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst Berlin-Charlottenburg, wo er seit 1928 studierte. Cremer initiierte 1933 mit Kommilitonen einen Protest gegen die erzwungenen Austritte Käthe Kollwitz‘ und Heinrich Manns aus der Preußischen Akademie der Künste und stand der „Roten Kapelle“ rund um den Bildhauer Kurt Schumacher nahe. Auf einer Reise nach London lernte Fritz Cremer Bertolt Brecht und Helene Weigel kennen. Beide bewegten ihn dazu, in Deutschland zu bleiben. Als Meisterschüler bei Fritz Gerstel erhielt er seinen ersten Preis, den preußischen Staatspreis, für sein Relief „Trauernde Frauen“ (1937), das kurz zuvor noch für nicht würdig genug für eine Präsentation der nationalsozialistischen Kulturpolitik befunden wurde. Einen einjährigen Studienurlaub verbrachte Fritz Cremer in Rom an der Deutschen Akademie, bevor er 1940 zur Wehrmacht eingezogen wird und 1946 aus jugoslawischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte.
Seinen Weg als Bildhauer hatte er gefunden und auch seine künstlerische Arbeitsmaxime, die er einmal mit zwei Zitaten – von Auguste Rodin „Zurück zur Natur“ und Ernst Barlach „Ich habe mir meinen ganzen Krempel von der Straße geholt“ – formuliert hat. Fritz Cremer kehrte nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft nach Wien zurück und übernahm leitend die Bildhauerabteilung an der Akademie für angewandte Kunst. Es folgte eine Berufung an die Akademie der Künste Berlin, er übersiedelte 1950 in die DDR, nach Berlin.
Fritz Cremer wurde einer der erfolgreichsten deutschen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Seine Mahnmale, die ihn bekannt gemacht haben, sind immer auch Bekenntnisse: Denkmal für die Opfer des Faschismus auf dem Zentralfriedhof in Wien (1946–1948); Figurengruppe für das Buchenwalddenkmal (1952–1958), Mahnmal „O Deutschland, bleiche Mutter“ für die Gedenkstätte KZ Mauthausen/Österreich; Figurengruppe für das KZ Ravensbrück (1958–1965) u.a. Seine überlebensgroße Bronze „Aufsteigender“ wurde 1975 als Geschenk der DDR an die UNO übergeben und steht seit dieser Zeit im UNO-Hauptquartier in New York. Als Pendant zu der von Cremer geschaffenen Monumentalkunst gelten u.a. die weiblichen Akte, die von Sinnlichkeit und Innigkeit erzählen. Einer von ihnen steht in der Skulpturensammlung der Waldsiedlung – die „Schwimmerin“ von 1959.
Fritz Cremer erhielt vielfach nationale und internationale Auszeichnungen, Mitgliedschaften und Ehrenmitgliedschaften. Von 1974 bis 1983 war er Vizepräsident der Akademie der Künste. Seinen Meisterschülern an der Akademie der Künste war er ein hoch geachteter Lehrer, der stets die eigenständige künstlerische Entwicklung seiner Schüler beförderte. Viele sind heute namhafte Bildhauer. Einer von ihnen ist der in Bernau lebende Friedrich B. Henkel, Schöpfer des „Quellbrunnens“ am Steintor. Andere sind mit ihrem Werk in der „Skulpturensammlung der Waldsiedlung“ vertreten: Walter Howard, Ingeborg Hunzinger, Lore Plietzsch und Gerhard Rommel. Trotz seines Erfolges blieb Fritz Cremer ein Zweifler, ein Unzufriedener und ein Mahner, zuweilen seine Stimme erhebend, zuweilen sich zurückziehend.
Über die Referenten:
Die Berliner Kunstwissenschaftler und Publizisten Dr. Anita Beloubek-Hammer und Prof. Dr. Klaus Hammer, beide ausgewiesene Kenner der Kunst des 20. Jahrhunderts, werden den „Polaritäten im bildhauerischen Werk von Fritz Cremer“ nachgehen. Anita Beloubek-Hammer war bis zum Sommer Kuratorin des Kupferstichkabinetts in Berlin. Im März 1990, drei Monate nach Öffnung des bis dahin abgesperrten Geländes der Waldsiedlung, registrierte sie im Auftrag der Nationalgalerie die dort befindlichen Skulpturen. Klaus Hammer ist Professor an der TU Dresden und Gastprofessor an den Universitäten Koszalin und Slupsk (Polen).